Eine nette Dahliengeschichte von Herrn Florian Brody

Gewisse Ereignisse und Unternehmungen scheinen auch im Jahresablauf ihren angestammten Platz zu haben. Bis plötzlich alles anders ist. Ich rede hier nicht von so alltäglichen Gegebenheiten, dass die ganze Welt in eine Seuchengrube gefallen ist. Eher vom Besonderen, den erstaunlichen kleinen Erfahrungen, die einem zeigen, dass Zeit und Raum gar nicht so fix sind, wie man gemeinhin anzunehmen gewillt ist.

In früheren Jahren, und das ist nun Jahrzehnte her, hatte ich bereits im Sommer eine Vorahnung, dass es im Herbst wieder so weit sein würde, der Tag kommen würde, an dem ich mich auf dem Weg nach Gersthof, einem ehemaligen Vorort Wiens, bereits 1497 urkundlich erwähnt, seit 1890 in der Mitte des 18. Wiener Gemeindebezirks Währing gelegen machen würde. In einem von größtenteils gesichtslosen Einfamilienhäusern gesäumten Nebenstraßenwirwarr liegt eine Gärtnerei, auf die zufällig zu stoßen, wohl schwerfallen wird. Ich war des Öfteren bei Herrn G. zugegen gewesen, wodurch mir die Nachbarschaft einigermaßen bekannt war. In den Jahren vor GPS war es immer schwer, sich zu orientieren, da die Straße sich alle paar Häuser von Neuem gabelte und es immer ein Ratespiel war, ob man nun rechts oder links wählen sollte, zu wählen hatte. Ich hatte mir eingeprägt, immer den steileren, beschwerlicheren Weg zu wählen, bis es plötzlich ganz steil hinuntergeht. Jedenfalls dort findet sich die einzige oder zumindest eine der wenigen Dahliengärtnereien der Stadt. Herr von Goethe hatte ja eine Vorliebe für Dahlien, damals hießen sie noch Georginen und hatte bereits 1814 einige Sorten in seinem Garten.

Ich jedenfalls zog in alten Tagen immer Anfang des Herbstes hinaus nach Gersthof, um meine Wohnung mit allerlei unterschiedlichen Dahlien zu füllen und zu schmücken. Die diversen größeren und kleineren Sorten waren nicht nur wohlfeil zu haben, sie waren auch ganz frisch, denn man erstand sie in einem kleinen schuppenartigen Häuschen inmitten der Blumenfelder. Die frischen Blumen wurden nur notdürftig in Zeitungspapier eingemacht. Nichts vom in Blumengeschäften üblichen giftigen Grünzeug, das nicht mehr ganz so frischen Blumen von nicht mehr ganz so frischen Verkäuferinnen hinzugesteckt wird, Grünzeug das besonders für Haustiere giftig ist, keine Schleifen, einfach Natur zum nach Hause nehmen.

Dahlien waren für mich in ihren kräftigen Farben in ihrer Natürlichkeit immer der Anfang vom Ende. Bald würde es früh dunkel werden, noch zwei südlichere Tage, gespendet von Rilke, fallendes Laub, Begehungen am Weidlinger Friedhof mit meinem Freund K., auch er längst verblichen. Und die Zeit? Es ist Mitte Juli und ich betrachte mit Stolz nicht zwei, sondern drei Sorten Dahlien im Hochbeet meines Gartens im Norden Kaliforniens. Ist es das Klima? Die Gegend? Die Sorten? Ich werde morgen einige ins Haus holen und an die Ausfahrt nach Gersthof denken und das Gefühl, wie sich Zeit und Erfahrung ineinander verschoben haben.

https://www.story.one/en/story/dahlien-6445b13ac2b2f/

© Florian Brody
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